"Bankerte!"
Silke Satjukow und Rainer Gries
"Bankerte!"
Besatzungskinder in Deutschland nach 1945
415 Seiten, 44 Abbildungen
Campus Verlag Frankfurt am Main/New York 2015
EAN 9783593502861
Im Frühjahr 1945 marschierten die alliierten Truppen in Deutschland ein, neun Monate später kamen die ersten Besatzungskinder zur Welt. Im ersten Nachkriegsjahrzehnt wurden etwa 400.000 Kinder geboren, deren Väter feindliche Soldaten und deren Mütter zumeist junge Deutsche waren. Nur in den seltensten Fällen erkannten die Männer ihre Vaterschaft und ihre Verantwortung amtlich an. Zeit ihres Lebens trugen diese Kinder daher ein doppeltes Stigma: Sie waren von unehelicher Geburt und Kinder einer Vergewaltigung oder gar einer Beziehung mit dem verhassten Feind. Ihr soziales Umfeld grenzte sie aus, verhöhnte und misshandelte sie psychisch und physisch – sie galten als "Bastarde", "Russenbälger", "Amikinder" oder gar als "Negerbrut".
Während Briten, Amerikaner und Russen weder an den Müttern noch an ihrem Nachwuchs Interesse zeigten, organisierten die Franzosen geheime Babytransporte nach Paris und nach Nordafrika. Dort bekamen die Kinder neue Identitäten und wurden zur Adoption freigegeben – das Schicksal dieser "Franzosenkinder" blieb bis heute im Dunkeln.
Das Buch "Bankerte!" zeichnet die Geschichte dieser lange beschwiegenen Kinder nach. Wir beobachten sie auf den wichtigen Stationen ihres Lebensweges: Anhand eines großen Fundus schriftlicher und mündlicher Quellen rekonstruieren wir die Bedingungen ihrer Zeugung und ihrer Geburt in allen vier Besatzungszonen. Wir beobachten sie in ihrer Kindheit und Jugend, begleiten sie bei ihrer Einschulung ab 1952 und zu Beginn ihrer Ausbildung Ende der fünfziger Jahre.
Es zeigt sich, dass die "Ankunft" der Besatzungskinder in den beiden deutschen Nachkriegsgesellschaften nicht nur Probleme und Risiken, sondern auch Chancen barg. Sie blieben durchaus nicht nur drangsalierte und diskriminierte Opfer. Allein durch ihr Dasein stellten sie eine ständige Herausforderung für ihr Umfeld dar; sie avancierten so zu Medien europäischer und transatlantischer Aushandlungs- und Annäherungsprozesse. Und sie wurden den von der nationalsozialistischen Rassenideologie geprägten Deutschen zu wesentlichen Vermittlern neuer, weltläufiger und liberaler Wertewelten.